Wenn der Kollege müffelt
Wie sagt man es dem Nachbarn in so einer Situation?
Neulich war ich auf einer dreitägigen Fortbildung. Der Raum war lichtdurchflutet, für jeden Teilnehmer lagen Schreibblock und Schreibstifte bereit. Da ich früh dran war, hatte ich die freie Platzwahl. Ich entschied mich für einen Platz in der Mitte des Raumes. Nach und nach kamen die anderen Teilnehmer, und ein freundlicher Herr fragte mich, ob er sich neben mich setzen dürfe. „Ja, gerne“ sagte ich und wusste in diesem Moment noch nicht, was ich mir nun eingehandelt hatte.
Nachdem alle Teilnehmer anwesend waren, wurden wir vom Dozenten freundlich begrüßt. Aber was war das? Plötzlich müffelte es neben mir! Ich schnupperte zur linken Seite, dann zur rechten Seite und – Sie werden es nicht glauben: Der Herr, der so freundlich gefragt hatte, war es. Mein lieber Schwan, dachte ich, das kann ja heiter werden. Was mache ich da bloß? Drei Tage neben diesem Herrn, das hält die größte Höflichkeit nicht aus.
Wie verhält man sich in dieser unmöglichen Situation?
a) Ich mache die Person darauf aufmerksam, dass sie/er stinkt.
b) Ich stelle der Person am nächsten Tag eine Flasche Deo hin.
c) Ich sage nichts und kaufe in der Apotheke Kopf- schmerztabletten.
d) Ich spreche die Person unter vier Augen an und mache sie darauf aufmerksam.
(Richtige Antwort: d)
Ich behaupte: Wer sich nicht regelmäßig wäscht, müf- felt. Wer seine Kleidung vom Vortag nicht lüftet und am nächsten Tag wieder trägt, riecht. Wer scharf gewürzt isst, transpiriert. Deodorants in den gewaschenen Achseln wirken dagegen. Aber lassen Sie uns mal der Sache auf den Grund gehen: Riechen Menschen nur, wenn sie ungewaschen sind? Es gibt mehrere Gründe für unangenehme Körpergerüche. Krankhaftes Schwitzen kann verursacht werden durch Diabetes, Fettsucht oder Bluthochdruck. Mundgeruch kann durch Tabletteneinnahme oder durch Essen eines stark gewürzten Knoblauchgerichts verursacht sein. Keine Anlässe also, dem betreffenden Menschen Ungepflegtheit vorzuwerfen, oder? Was machen wir im Ernstfall damit? Erst einmal sollten wir darauf achten, ob der beziehungsweise die Betreffende nur ausnahmsweise etwas strenger riecht oder ob dies ein Dauerzustand ist.
Bitte auf gar keinen Fall ...
Mein lieber Schwan: Drei Tage neben diesem Herrn, das hält die größte Höflichkeit nicht aus. Die Illustratorin Kerstin Vogelsberger hat diese Situation zeichnerisch umgesetzt.
Handelt es sich um einen Dauerzustand, sollten Sie ruhig mutig sein, aber mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Es ist immer unangenehm, jemanden auf ein persönliches Problem anzusprechen – für beide. Der Betroffene nimmt häufig seinen Körpergeruch, wie Schweiß, Knoblauchgerüche oder Mundgeruch, gar nicht selber wahr. Auf jedem Fall sollten Sie ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen führen. Falls Sie die Person nicht direkt mit ihrem Problem konfrontieren möchten, erfinden Sie eine Geschichte von einem Freund in ähnlicher Lage. Wenn Sie den Bekannten-/Kollegenkreis des Betroffenen kennen, können Sie dieses Gespräch notfalls auch delegieren, am besten an eine Person, die mit dem Betroffenen vertraut ist, möglichst vom selben Ge- schlecht und beruflich auf gleicher Hierarchiestufe. Schon 1957 schrieb die stellvertretende Protokollchefin des Auswärtigen Amts, Erika Pappritz: „Kennen Sie das erregende Gefühl, frisch gewaschen zu sein?“
Haben Sie schon mal Ähnliches erlebt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Schreiben Sie mir Ihre Erfahrungen: info@gudrun-jueckmann.de